Blutvergiftungen oder Weichteil-Infektionen können durch Mikroplastik ausgelöst werden. Damit bestätigt eine Studie der Universität La Laguna (ULL), dass Kunststoff-Fragmente nicht nur eine Gefahr für die Meere sind. Denn auch für Menschen gefährliche Bakterien reisen mit den teils mikroskopisch kleinen Teilchen.
Die auf der Kanaren-Insel Teneriffa durchgeführte Studie zeigt, dass hohe Prozentsätze des Mini-Mülls Fäkal-Keime oder andere gesundheitsschädliche Krankheitserreger mit sich tragen. Dazu gehören Vibrio alginolyticus, das Weichteilinfektionen und Blutvergiftungen verursachen kann.
Die Forscher haben für ihre Studie 687 Fragmente und 139 Plastikpellets analysiert. Sie alle waren zuvor an sieben Stränden auf Teneriffa gesammelt worden. Das Mikroplastik stammt von den Playas Almáciga, Las Teresitas, La Viuda, El Socorro, Grande, Punta del Bocinegro und Puertito de Adeje.
Mikroplastik auf Teneriffa: Alle Proben mit Bakterien kontaminiert
Bei der Auswertung fanden die Wissenschaftler an allen Mikroplastik-Fragmenten das Bakterium Vibrio alginolyticus. Es ist für Otitis und Wundinfektionen verantwortlich. Außerdem wiesen knapp 86 Prozent der Proben intestinale Enterokokken und coliforme Bakterien auf. Dabei handelt es sich um Fäkal-Bakterien.
In 71,4 Prozent der Plastik-Proben aus dem Atlantik vor der Kanaren-Insel wurden Staphylokokken nachgewiesen. Diese gehören zur normalen Haut-Flora. Sie können jedoch auch Haut- und Weichgewebsinfektionen sowie Lungenentzündung, Hirnhautentzündung, Endokarditis und sogar ein toxisches Schocksyndrom und Sepsis verursachen. Zudem wurden weitere Coli-Bakterien in mehr als 57 Prozent der Proben entdeckt.
Kunststoff im Meer gilt als hervorragender Wirt für Bakterien und Krankheitserreger
Die Wissenschaftler teilen in ihrer Studie mit, dass die Bakterien-Belastung bei den ebenfalls untersuchten Pellets geringer sei. Da die Oberfläche von Mikroplastik als rauer gilt, kommt die Studie zu dem Schluss, dass diese besonders anfällig für Bakterien-Belastungen sei. So bilden sich darauf schneller Bio-Filme. Die Krankheitserreger können also hervorragend überleben und sich vermehren.
Cintia Hernández arbeitet an der ULL im Bereich der Präventivmedizin. Sie erklärt: “Um die herumtreibenden Kunststoffe bildet sich eine Nährstoff-Schicht und es entsteht dieser Biofilm, der dazu führt, dass eindringende krankheitserregende Mikroorganismen länger darin verbleiben können, da sie mit allem dazu Nötigen umhüllt sind.”
Diese Hülle hat seit 2013 sogar einen Namen. Der im Jahr 2017 verstorbene Wissenschaftler Erik Zettler beschrieb sie als “Plastisphäre”. Zusammengefasst besagt sie, dass Plastik zum Lebensraum für Bakterien werden kann, da es eine längere Lebensdauer hat als die meisten schwimmenden Meeres-Substrate. Doch weder Zettler noch die Studien-Macher auf Teneriffa konnten bislang ergründen, wie lang dieser Zeitraum tatsächlich ist.
Dies soll sich nun ändern. Hernández sagt: “Das studieren wir nun. Es gibt Mikroorganismen, die widerstandsfähiger gegen die salzhaltige Umgebung sind – wie im Fall von Vibrio.”
Im nächsten Schritt solle dann ergründet werden, ob die Bakterien in Mikroplastik grundsätzlich einen neuen Wirt gefunden haben, oder ob sie auch an anderen rauen Materialien wie Bimsstein, Krabbenresten oder Algen haften und ähnlich gut überleben können.
Fäkal-Bakterien auf den Kanaren weiter ein großes Problem
Insbesondere bei den Fäkal-Bakterien haben die Forscher einen Zusammenhang entdeckt. Denn diese waren an den Stränden von Puertito de Adeje, Punta del Bocinegro und Las Teresitas höher. Alle drei Playas haben die gleichen Eigenschaften: Sie sind geschlossene Strände mit flachen Wellen. Und sie alle befinden sich in der Nähe von Abwassereinleitungen, die nach den Worten der Studien-Autoren “die Besiedlung von Mikroplastik durch Mikroorganismen begünstigen können”.
In der Studie heißt es, dass diese fäkalen Verunreinigungen nicht zwangsläufig “darauf zurückzuführen sind, doch es ist eine sehr wahrscheinliche Option. Normalerweise überleben diese Organismen nicht so lange in einer salzhaltigen Umgebung”.
Wird Mikroplastik bald zum Grund für Strand-Sperrungen?
Die Wissenschaftler betonen in ihrem Fazit, dass es “sehr schwierig” sei, einen Zusammenhang zwischen einem Strand-Besuch und einer Infektion herzustellen. Dennoch werden weiterhin Strände auf den Kanaren gesperrt, sobald die Coli-Konzentration einen Schwellwert überschreitet.
Bisher werden die Konzentrationen von Mikroplastik in dieser Betrachtung nicht berücksichtig. Da nun jedoch nachgewiesen wurde, dass die Erreger daran besonders lang haften bleiben, könnte die Mikroplastik-Konzentration künftig in die Entscheidungsfindung aufgenommen werden.
Sogar Cholera an Mikroplastik nachgewiesen
Die Wissenschaftler konnten auch Vibrio cholerae, das Cholera auslösen kann, nachweisen. Sie halten es daher für unerlässlich, dass das Thema Mikroplastik ernster genommen wird. “Eine Cholera-Infektion ist schon etwas Ernsteres”, sagt Hernández.
Auch wenn dieser Erreger vermutlich von Schiffen ins Wasser gelangte, findet er in Salzwasser eine willkommene Umgebung und in Mikroplastik einen hervorragenden Wirt. “Und Mikroplastik ist überall”, sagt die Wissenschaftlerin: “Wo immer wir geschaut haben, überall gab es welches.”
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