Eine neue Tragödie beschreibt das nächste Kapitel des Sterbens auf hoher See. 60 Migranten haben sich aus dem Senegal auf den knapp 1500 Kilometer langen Weg zu den Kanarischen Inseln begeben. Als viele von ihnen die Hoffnung bereits aufgegeben haben, ruft plötzlich ein Jugendlicher an Bord: “Land in Sicht!” Die Freude ist so groß, dass sie in einer Tragödie endet.
Acht Tage war das Boot mit 60 jungen Männern an Bord unterwegs. Nach fünf Tagen verlieren die Ersten von ihnen die Hoffnung. Sie glauben, dass die Kanaren verfehlt wurden und sie grade auf ihr Ende zu reisen. Dann endlich ertönt der erlösende Ausruf.
Am Horizont zeichnen sich die Inseln ab. Allerdings in sehr weiter Ferne. Die Reise würde also noch dauern, wenn das Boot im Moment des Ausrufs keine Schlagseite bekommen und ein Überlebenskampf begonnen hätte.
Kanaren: Freude über “Land in Sicht” kostet 51 Menschen das Leben
Viele Flüchtlinge an Bord wollen selbst nachsehen, ob sie die Kanaren wirklich in der Ferne erkennen. Vor acht Tagen sind sie vom senegalesischen Hafen M’Bour aus gemeinsam mit weiteren jungen Männern – alle zwischen etwa 15 und 30 Jahren alt – ins Ungewisse aufgebrochen.
Sie springen auf und laufen zur Steuerbord-Seite. Das Boot ist diesen ruckartigen Bewegungen so vieler Menschen gleichzeitig nicht gewachsen. Es bekommt Schlagseite und kentert. Einige Flüchtlinge haben sich seit Tagen kaum bewegt. Sie gehen unter wie Steine. Andere kämpfen gegen die Fluten an, halten sich dabei an ihren Nebenmännern fest – und gehen schließlich gemeinsam unter.
Überlebenskampf auf gekentertem Migranten-Boot vor den Kanaren
Nur elf Männer überleben die folgenden Minuten. Sie klettern auf den Kiel des inzwischen falsch herum im Meer treibenden Fischerboots. Dann führt eine falsche Bewegung dazu, dass es erneut ins Wanken gerät. Wieder fallen die Männer ins Wasser. Zwei Weitere Menschen ertrinken.
Nur neun Überlebende bleiben übrig. Sie sind sich sicher, dass sie das Boot drehen müssen, um eine Überlebenschance zu haben. Wie es ihnen gelang, wissen sie nicht mehr. Doch irgendwie haben sie, viele von ihnen arbeiten als Seeleute auf Fischerbooten, es geschafft. Das Boot ist zwar mit Wasser gefüllt, doch es treibt auf dem Meer.
Drei Container-Schiffe übersehen Kanaren-Flüchtlinge auf gekentertem Boot
Dem Ziel so nah und doch so fern harren die Männer etwa 110 Kilometer vor den Kanarischen Inseln entfernt auf dem manövrierunfähigen Wrack aus. Drei Güter-Schiffe schwimmen vorbei und sehen die Männer nicht. Erst die Besatzung des vierten Schiffs, der “Beskidy”, sieht die Männer. Der unter liberianischer Flagge fahrende Tanker meldet der Seenotrettung ein halb gesunkenes, etwa 15 Meter langes Boot vor der Küste El Hierros.
Ob die Männer an Bord des Cayucos aus dieser Entfernung wirklich El Hierro oder doch eher den höchsten Punkt der Kanarischen Inseln, den Teide auf Teneriffa, entdeckt hatten, ist unklar. Fest steht dagegen, dass der Funkspruch ihnen das Leben rettet. Die neun zwischen 17 bis 30 Jahre alten Senegalesen überleben die Flucht aus Afrika als einzige der 60 ursprünglich aufgebrochenen Männer.
Nahezu zeitgleich: Weitere tragische Unglücke vor den den Kanaren
Die Vereinten Nationen zählen allein in diesem Jahr 126 Ertrunkene. Menschenrechtsorganisationen gehen etwa vom zehnfachen aus. Denn viele Flüchtlinge erreichen die Kanarischen Inseln nie, werden jedoch auch nie entdeckt.
Beispielhaft dafür stehen drei Ertrunkene, die vor La Gomera entdeckt wurden. Zwei von ihnen strandeten im Süden der Kanaren-Insel, einer im Norden. Zwar passt der Zeitpunkt zum Kentern des Bootes vor El Hierro, doch Experten halten es für völlig ausgeschlossen, dass die Strömung sie von dort aus so weit getrieben haben kann.
Sie rechnen damit, dass vor La Gomera mindestens ein weiteres Boot untergegangen ist. Wie viele Menschen an Bord waren, weiß niemand. Und damit bleibt auch ihre Geschichte für immer unerzählt.
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Vor den Kanaren: “Land in Sicht” führt zur Tragödie
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