Allein auf Teneriffa befinden sich aktuell mehr als 1800 unbegleitete und minderjährige Migranten. Sie sind mit ihrer Ankunft automatisch das Problem der Region, in der sie an Land gehen. Die Kanarischen Inseln müssen sich also um aktuell 5661 Minderjährige kümmern. Tendenz steigend.
Für Rosa Dávila, Präsidentin von Teneriffa, ist das eine “unhaltbare Situation”. Als größte Kanaren-Insel kümmert sich Teneriffa um die meisten von ihnen. Dort kamen 1865 Jugendliche unter. Und Dávila weiß: “Diese Zahlen ändern sich in der Regel nach oben.”
Die Politikerin ist erbost ob der Ignoranz in Spanien. Eine Gesetzesänderung sollte für mehr Solidarität sorgen. Verantwortlich dafür ist ihr Amtsvorgänger Ángel Víctor Torres, der inzwischen als Minister für Territoriales in Madrid tätig ist. Doch die Novelle stockt. Denn in Spanien möchte niemand die Migranten aufnehmen, die aus Sicht des Festlands auf den Kanaren weit genug entfernt geparkt bleiben können.
Jugendliche Migranten haben in Spanien keine Perspektive
“Die Situation auf Teneriffa ist mit mehr als 1800 betreuten minderjährigen Migranten kritisch”, sagt Dávila. und ergänzt: “Wir müssen die unverantwortliche Politik beenden – nicht nur für die lokalen Verwaltungen, sondern auch für die Jugendlichen selbst, die ein geeignetes Umfeld für ihre Entwicklung und ihr Wohlergehen verdienen”.
Genau dieser Punkt wird in der Diskussion oft vergessen. In Sorge, dass möglicherweise problematische Jugendliche dabei sein könnten, bleiben diese in großen Gruppen weggesperrt. Anhaltende Langeweile und Perspektivlosigkeit sorgen dann dafür, dass einige von ihnen tatsächlich Auffälligkeiten entwickeln. Und das bestärkt dann die Gegenposition, nach der sich niemand um das vermeintlich kanarische Problem kümmern möchte.
Eine Lösung wäre ein geeigneter Prozess, der dazu führt, dass Jugendliche gar nicht erst in einen Negativstrudel eingesogen werden. Dazu jedoch bedarf es einer grundsätzlichen Bereitschaft, sich tatsächlich um die Entwicklung der Minderjährigen zu bemühen. Und der erste Schritt wäre deren Integration.
“Unverschämt”: Kanaren sollen mit sechs Millionen Euro abgespeist werden
Dávila nennt das knapp wie politisch korrekt eine “sehr komplizierte Situation”, in der die Betroffenen stecken. Die Insel-Präsidentin appelliert daher an ihre Kolleginnen und Kollegen auf dem Festland. Die Kanarischen Inseln dürfen “nicht allein gelassen werden”.
Dort wiederum herrscht der Tenor, dass man gemeinsam 15 Millionen Euro für den Umgang mit Migranten freigegeben habe. Die Kanaren erhalten sechs davon. Doch das Problem ist vielschichtig. Zum einen haben die Inseln ein Platz-Problem, zum anderen reichen die Mittel hinten und vorne nicht, um minderjährigen Migranten daraus eine echte Perspektive zu bereiten.
Teneriffa-Präsidentin: “Spanien hat keine funktionierende Migrationspolitik”
Dávila spricht für alle kanarischen Insel-Regierungen, wenn sie sagt, dass “wir der kanarischen Regierung, die die Vormundschaft für diese Jugendlichen innehat, alle verfügbaren Mittel für deren Unterbringung zur Verfügung gestellt haben und dies auch weiterhin tun werden, doch die Wahrheit, die Realität ist, dass sie nicht aufhören werden, anzukommen”.
Für die Politikerin sei es “inakzeptabel”, dass Torres vor der Konferenz zum Thema mit allen Verantwortlichen eine Vereinbarung ankündigt, “die sogar seinen eigenen Ministerkollegen überrascht”.
Dávila resümiert nüchtern: “Die spanische Regierung hat keine funktionierende Migrationspolitik gegenüber den Kanarischen Inseln”. Viel mehr sei es “unverschämt”, den Versuch zu starten, sich mit sechs Millionen Euro bei den Inseln freizukaufen. Das Geld sei zwar wichtig, jedoch nicht ansatzweise eine Lösung.
Kanaren-Migration: “Wir sind überfordert”
Dávila sendet einen letzten Hilferuf ans EU-Parlament nach Brüssel, indem sie zugibt: “Das Ziel dieser Leute sind nicht die Kanarischen Inseln, sondern Europa. Aber die Kanarischen Inseln und Teneriffa sind auch Europa und wir können nicht mit ihnen alleingelassen werden. Weil wir überfordert sind!”
Das Ziel Europas müsse sein, dass sich Fachleute um die Jugendlichen kümmern. Sie müssen “mit Würde behandelt werden”, fordert Dávila. Es müsse daher “eine vollständige, funktionierende Integration angestrebt werden”. Stattdessen, so resümiert die Präsidentin, hat “die politische Debatte im Staat uns im Stich gelassen”.
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