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Streit eskaliert: Kanaren nehmen keine minderjährigen Migranten mehr auf


Die Kanaren wollen sich ab sofort nicht mehr um minderjährige Migranten kümmern. Damit eskaliert ein sich seit Jahren zuspitzender Streit mit Madrid.

Von Johannes Bornewasser – zuletzt aktualisiert: – Lesedauer: 4 Minuten 0 Leserkommentare bei Teneriffa News

Neu ankommende minderjährige Migranten werden von der Regierung der Kanarischen Inseln nicht mehr betreut. Damit setzt die Autonome Gemeinschaft ein Zeichen gegen die Regungslosigkeit des restlichen Landes. Es ist die finale Zuspitzung eines seit Jahren schwelenden Streits.

Unbegleitete Minderjährige sind laut spanischem Gesetz von der Region zu betreuen, in der sie ankommen. Insbesondere Autonome Gemeinschaften im Inland sind mit dieser Regelung sehr zufrieden, denn sie haben selten zu befürchten, auf diesem Weg jemanden aufnehmen zu müssen. Die Kanarischen Inseln und Andalusien sind als “Außenposten zu Afrika” hingegen die Migrations-Hochburgen Spaniens. Und beide Gemeinschaften leiden unter der Vereinbarung.

Seit Jahren wird über eine gerechtere Umverteilung debattiert. Bisher traten die Kanaren als Bittsteller auf. Nachdem deren ehemaliger Präsident, Ángel Víctor Torres, die Rolle als Minister für Territoriales in Spaniens Zentralregierung übernahm, war die Hoffnung groß, dass die Inseln fortan stärker gehört werden. Doch nach weiteren Verhandlungspleiten schalten die Inseln jetzt auf stur. Damit droht der innerspanische Streit, fortan auf den Schultern der unbegleiteten Minderjährigen ausgetragen zu werden.

Migration: Kanaren schalten auf Konfrontation

Es gibt in der Diskussion über die Verteilung Minderjähriger ein klares Für und Wider. Und dass sie nicht weiter kommt, liegt insbesondere an parteipolitischen Scharmützeln. Keine Regional-Regierung möchte sich bei den eigenen Wählern unbeliebt machen, indem Hunderte Migranten freiwillig aufgenommen werden.

Nachdem die solidarische Umverteilung also scheiterte, wurde auf eine Gesetzesänderung gehofft. Erneut zeigten die Kanaren Geduld und setzten auf Torres und dessen Verhandlungsgeschick. Doch wieder scheiterten die Gespräche. Die Kanaren zeigen nun, dass sie vom Hin und Her genug haben und schalten ebenfalls auf stur.

So argumentieren die Kanaren in ihrer neuen Migrations-Position

Die Regierung der Kanarischen Inseln hatten lange Zeit Betreuungsplätze für rund 2000 unbegleitete Minderjährige. Die Kapazität wurde auf 4339 erweitert. Derzeit leben jedoch knapp 5300 Kinder und Jugendliche in den 80 Aufnahmezentren der Inseln. In den kommenden Monaten werden Tausende Neuankömmlinge erwartet, darunter viele Hundert Minderjährige. Und da die Auffangstellen schon jetzt überfüllt sind, nehmen die Inseln nun den Staat in die Pflicht.

Die Argumentation der kanarischen Regierung lautet, dass menschenwürdige Unterbringungen unmöglich geworden seien. Und damit müsse der Staat in die Bresche springen. Sogar juristisch werde nun geprüft, ob Madrid nicht sogar gesetzlich dazu verpflichtet ist.

Kanaren-Migration: Spaniens Streit um Artikel 35

Der Präsident der kanarischen Regierung, Fernando Clavijo, hatte den jüngsten Kanaren-Urlaub des spanischen Regierungspräsidenten, Pedro Sánchez, für ein Treffen genutzt. Doch auch dabei gab es keine signifikanten Durchbrüche. Gefordert wird eine Änderung von Artikel 35 des Ausländergestzes. Dieser Abschnitt regelt die aktuelle Unterbringung Minderjähriger in der aufnehmenden Region.

Clavijo kündigte an, dass man ankommenden minderjährigen Migranten nicht den Rücken kehren werde. Der Kanaren-Präsident spricht von einer “humanitären Krise” und davon, dass man gern bei der Ankunft hilft. Das sei eine Art solidarische Unterstützung für den Staat, der ab dort allerdings verpflichtend übernehmen müsse.

Clavijo sagt: “Es ist der Staat, der sie mit der Seenotrettung aufgreift, es ist der Staat, der sie zur spanischen Grenze bringt – in diesem Fall auf die Kanarischen Inseln, es ist der Staat durch die Nationalpolizei, der sie durchsucht.” Für die Inseln stehe damit fest, dass auch der Staat zuständig sei. Doch “dann werden sie der Autonomen Gemeinschaft übergeben”, kritisiert der Präsident der Kanarischen Inseln.

Parteien auf den Kanaren derzeit eingeschränkt einig

Clavijo bedankte sich zudem bei den Parteien der Kanarischen Inseln, die in der nun eingeschlagenen Richtung seltene Einigkeit zeigen. Spitzen gab es aus den anderen Parteien dennoch. Sebastián Franquis ist Sprecher der sozialdemokratischen PSOE. Er sieht die nationale, christlich-konservative und wirtschaftsliberale PP als Grund für die Blockierung Spaniens. Und die sitze in From des kanarischen PP-Ablegers nunmal an der Seite Clavijos. Entsprechend sei es nötig, dass von dort aus Druck auf die eigene Partei ausgeübt werde.

Auch die der linken Mitte zugeordnete NC zeigte sich zumindest in Teilen kritisch. Luis Campos sagte, dass die Lösung politisch sei und daher auch politisch und nicht juristisch gelöst werden könne.

Torres kritisierte seinen Nachfolger auf den Kanaren aus Madrid heraus für den neuen Kurs. Allerdings räumte der vorherige Präsident ein, dass die Lage auf den Inseln “verzweifelt” sei. Davon, dass die Zentralregierung den Inseln “den Rücken gekehrt” habe, will er unterdessen nichts wissen.

Eine Lösung ist derweil nicht in Sicht. Insbesondere dadurch, dass die Kanaren weiterhin bei der Ankunft unbegleiteter Minderjährigen helfen wollen, ist derzeit unklar, wie überhaupt Druck auf Madrid ausgeübt werden soll. Eine Fortsetzung des Migrations-Streits zwischen den Kanarischen Inseln und Madrid ist entsprechend absehbar.


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Johannes Bornewasser ist Gründer und Herausgeber von Teneriffa News. Er hat zudem die redaktionelle Verantwortung inne. Zum Autorenprofil von Johannes Bornewasser.

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