Fernando Torres kennt das Thema Migration noch aus seiner eigenen Amtszeit als Kanaren-Präsident (Foto oben). Inzwischen ist der Politiker in der spanischen Zentralregierung unter anderem für Migrationsthemen zuständig. Auf den Kanarischen Inseln war die Hoffnung groß, dass Torres wie ein Anwalt der Kanaren fungiere. Doch sie weicht inzwischen Ernüchterung.
Der größte Streitpunkt bleibt Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes. Dieser regelt, dass unbegleitete minderjährige Migranten in der Region verbleiben müssen, in der sie ankommen. Küstengebiete sehen sich diskriminiert.
Die Zentralregierung sowie die Regional-Verantwortlichen der Kanaren und aus Ceuta wollen am Donnerstag erneut über das Gesetz diskutieren. Das Treffen steht unter keinem guten Stern, denn bisher scheiterten alle Versuche einer Einigung. Doch diesmal ist etwas anders:
Kanaren mit minderjährigen Migranten überfordert
Verantwortlich für den erneuten Erwartungs-Dämpfer ist die PP selbst. Zwar sei ein nach Hilfe rufender Brief der spanischen Regierung an die EU ein erster Schritt gewesen, doch die christlich-konservative und wirtschaftsliberale Volkspartei vermisst darin die Bitte um den Einsatz der europäischen Grenzschutz-Agentur Frontex, heißt es aus dem Parteienlager. Ohne solche Maßnahmen gebe es kaum Hoffnung auf Einigungen, heißt es.
Zudem fehle in den Forderungen Spaniens an die EU ein konkreter Vorschlag für die sofortige Umverteilung minderjähriger Migranten in andere EU-Länder. Ohne eine solche Forderung werde Brüssel nichts dergleichen diskutieren. Und ohne Zusagen wie diese, gilt es als unmöglich, dass sich andere Regionen Spaniens auf eine Gesetzesänderung einlassen. Als zu groß gilt die Sorge, dann Migranten aufnehmen zu müssen, die nicht weitergeleitet werden können.
Weitere Meinungsverschiedenheiten zwischen den innerspanischen Parteien beziehen sich auf die Finanzierung und den Einsatz von Mitarbeitenden, die ankommende Flüchtlinge und Migranten unterstützen.
Kanaren-Migration spaltet spanische Parteien
Die PP zeigt sich grundsätzlich bereit, sich an den Tisch zu setzen, machte jedoch schon vor dem Treffen klar, dass ohne konkrete Ideen für die genannten Punkte eine Einigung unmöglich werde.
Torres, der inzwischen als Minister für Territorialpolitik agiert, zeigte sich im Gegenteil offen. Gleiches gilt für Fernando Clavijo, den aktuellen Präsidenten der Kanarischen Inseln. Beim gemeinsam Treffen wollen beide Fortschritte erzielen. Die Position der PP kommt bei beiden nicht gut an, da sie Kompromisse von vornherein ausschließe.
“Die Kanarischen Inseln sind weiterhin allein mit diesem Migrationsphänomen konfrontiert”, sagte Clavijo und ergänzte, dass man im laufenden Jahr sogar “2023 – ein Rekordjahr in der gesamten historischen Reihe der letzten 30 Jahre – bei weitem überschritten” habe. Dazu lautet der klare Vorwurf der Kanaren in Richtung Madrid: “Und wir haben immer noch keine Antwort.”
Spaniens demokratische Mitte sucht Positionen gegen Populisten
Die Kanarischen Inseln hoffen daher auf eine Einigung am 13. Dezember, wenn die Regionalverantwortlichen des Landes zusammenkommen. Das aktuelle Treffen soll dazu dienen, gemeinsame Positionen zu erarbeiten, um sich populistischen Parteien entgegenstellen zu können. Eine Antihaltung schon vorab sei daher problematisch, lautet der Tenor.
“Wir möchten Einstimmigkeit, aber wir wissen bereits, dass Vox und die extreme Rechte andere, völlig gegensätzliche Thesen haben werden”, sagte Clavijo.
Migration: Kanaren hoffen auf Ausbildungsprogramm in Afrika
Clavijo erscheint zu dem Treffen am Donnerstag nicht von den Kanaren aus, sondern aus dem Senegal. Dorthin war der Kanaren-Präsident gereist, um mit der Regierung über die Migration zu debattieren. Aus dem Senegal stammen viele Kanaren-Migranten.
Das Land startete ein Programm zur Unterstützung junger Menschen. Auf diese Weise solle eine Perspektive im Inland geboten werden, so dass weniger Senegalesen den Weg nach Europa antreten, um dort nach Perspektiven zu suchen.
Migrations-Rekord auf den Kanaren
Unterdessen zeigte sich Torres hoffnungsfroh. Er sei guter Dinge, dass es Fortschritte geben werde. Der Ausblick lautet: “Immerhin sind alle dabei.” Ob das genügt, bleibt abzuwarten. Denn die Kanarischen Inseln beherbergen derzeit 7338 unbegleitete Minderjährige Migranten. Allein im November trafen 1004 von ihnen ein. Die Aufnahmezentren sind bereits überbelegt und es werden weitere Ankünfte erwartet.
Im laufenden Jahr sind bisher 41.862 Migranten auf den Kanaren eingetroffen. Nie zuvor waren mehr als 40.000 Menschen aus Afrika innerhalb eines Jahres auf die Kanarischen Inseln übergesetzt. 5699 der Ankömmlinge sind unbegleitete Minderjährige. Und um diese Gruppe wird in Spanien weiterhin am schärfsten diskutiert.
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Kanaren-Migration: Das laute Warten auf die Reform
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