Mehr als jeder dritte Mensch auf den Kanarischen Inseln leidet unter einer psychischen Erkrankung. Am häufigsten geht es um Angstzustände oder Formen der Depression. Frauen sind dabei etwa doppelt so oft betroffen wie Männer. Und auf den Kanaren sind die Zahlen besonders hoch.
Das zeigen aktuelle Daten des Gesundheitsministeriums. Demnach sieg die Prävalenz, also die Anzahl der Krankheitsfälle im betrachteten Teil der Bevölkerung, innerhalb von zwei Jahren um 34 Prozent. Ein genauerer Blick zeigt, dass bei den Unter-25-Jährigen sogar etwas mehr als 40 Prozent betroffen sind. Die Fälle steigen also mit abnehmendem Alter.
Die Problematik ist spanienweit zu spüren, jedoch besonders auf den Kanaren. Und so hat das Gesundheitsministerium der Zentralregierung unter der Leitung von Mónica García mentale Gesundheit ganz nach oben auf die Agenda der grade gestarteten Legislaturperiode gesetzt.
Mentale Gesundheit nimmt in ganz Spanien ab
Dass dieser Schritt nötig wurde, zeigen die Daten des Gesundheitsministeriums. Demnach hat sich die mentale Gesundheit der Bevölkerung in den vergangenen Jahren schrittweise verschlechtert. Im Jahr 2019 gab es 325 Fälle pro 1000 Einwohner. Zwei Jahre später waren bereits 370 von 1000 Einwohnern betroffen.
Auffällig ist das Gefälle zwischen Männern, bei denen 332 Fälle pro 1000 Personen gezählt werden, und Frauen mit 405 Betroffenen. Laut Bericht folgen die Zahlen “einem gewissen Muster”. Denn sind in der Kindheit und Jugend eher Jungen und junge Männer betroffen, ändert sich dies mit zunehmendem Alter. Ab dem jungen Erwachsenen-Alter sind dann eher Frauen betroffen.
Die Daten zeigen regionale Unterschiede. Die höchste altersbereinigte Prävalenz findet sich auf den Kanarischen Inseln (458,1), in Valencia (455,7) und in Murcia (426,7). National betrachtet liegt der Wert bei 357,2. Im Gegensatz dazu weisen Kastilien-La Mancha (93,3) und Euskadi (293,3) die niedrigsten Werte auf.
Angststörungen, Depressionen und Schlafstörungen besonders auf den Kanaren
Als größtes Problem gelten dabei Angstzustände und Panik-Attacken. Im Jahr 2021 wurden 126,9 Fälle pro 1000 Einwohner diagnostiziert. Das waren 33,7 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor. Betroffen waren mit 165 doppelt so viele Frauen wie Männer (87). Seit 2016 verdoppelte sich der Wert von 78,9 Frauen und 40,3 Männern. Am stärksten betroffen sind dabei die 50 bis 54-Jährigen.
Es folgen Schlafstörungen mit einer Steigerung von 58,8 Prozent. Zudem wurden 20 Prozent mehr Depressionen diagnostiziert. Waren es 2016 noch 39,1 Fälle pro 1000 Einwohner, stieg der Wert 2021 schon auf 46,8.
Spanien ist trauriger Antidepressiva-Weltmeister
Im weltweiten Vergleich liegt der Konsum von Antidepressiva in Spanien abgeschlagen an der Spitze. Das zeigt die jüngste europäische Gesundheitsumfrage. Darin gaben 10,8 Prozent der befragten Spanier an, in den zwei Wochen zuvor ein solches Mittel eingenommen zu haben. Auch dabei waren Frauen mit 29,6 Prozent in etwa doppelt so oft vertreten wie Männer.
Das Gesundheitsministerium registrierte in den Apotheken des Landes im vergangenen Jahr 98,81 Tagesdosen Antidepressiva pro 1000 Einwohner. Das waren fast 23 Prozent mehr als noch im Jahr 2018. Dabei lagen Galicien mit 146,78 und Asturien 144,57 deutlich vorn. Am unteren Ende der Skala werden Navarra (91) und Madrid (81) geführt.
In Spanien fehlen mindestens 1850 Psychologen
Spanienweit praktizieren derzeit 4393 Psychologen und Psychiater. Die Spanische Gesellschaft für psychische Gesundheit (SEPM) sieht für die kommenden fünf Jahre einen Bedarf von mindestens 1850 ausgebildeten Psychologen. Und Spaniens Gesundheitsministerin hat diesen Bedarf eigenen Angaben zufolge erkannt.
“Ich werde mich dafür einsetzen, dass wichtige und dringende Vereinbarungen getroffen werden. Eine davon muss der staatliche Pakt für psychische Gesundheit sein”, sagte García. Regierungspräsident Pedro Sánchez hatte bereits eine Woche zuvor ähnliches verlautet. Ziel der Regierung sei, dass es “keinen einzigen Bürger gibt, der psychologische Hilfe braucht und sie nicht bekommen kann”.
Spanien braucht mehr Psychologen für Kinder und Jugendliche
Dabei kommt Experten zufolge der Fokus auf Kinder und Jugendliche zu kurz. Insbesondere bei den Unter-30-Jährigen habe sich der Einsatz von Medikamenten verdreifacht. Die Zahl der Selbstmorde unter Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren stieg zwischen 2019 und 2021 um 32,4 Prozent.
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Kanaren: Angst und Depressionen werden Volkskrankheit – besonders bei Frauen
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