141.000 Arbeitslose warten im Dienstleistungssektor auf einen Job. Allein in der Gastronomie tauchen derzeit 26.974 in den Büchern des Obecan auf, das Analysen erstellt und Statistiken rund um den kanarischen Arbeitsmarkt erhebt. Zugleich sucht die Gastronomie händeringend nach Arbeitskräften. Erst auf den zweiten Blick ergibt das Sinn.
Für flüchtige Betrachter ist es einer der größten Wiedersprüche des kanarischen Arbeitsmarkts. Ausgelegt ist der zu weiten Teilen auf den Dienstleistungssektor. Die Pandemie sorgte für eine historische Delle bei den Arbeitslosenstatistiken. Da die Wirtschaft des Archipels maßgeblich vom Zustand des Gastgewerbes abhängt.
Nach dem Neustart des Tourismus mit immer neuen Rekordzahlen (mehr dazu hier), leidet ein Teil dieses Dienstleistungssektors weiterhin. Denn viele Restaurants können bis heute nicht in den Normalbetrieb schalten. Einige sind weiterhin geschlossen. Doch in den meisten Fällen geht es um noch immer verkürzte Öffnungszeiten oder unbesetzte Randschichten.
Kanaren: Restaurants wegen Fachkräftemangels unter ihren Möglichkeiten
Wer konnte, verließ den Sektor und suchte sich in anderen Bereichen einen Job. Und genau dort sehen auch Experten das Problem: “Ein Kellner muss mindestens Englisch, wenn nicht sogar mehrere Sprachen beherrschen”, sagt Carlos Quintero, Vizepräsident des Gastronomieverbands von Santa Cruz de Tenerife (Aero). Und Teile genau dieses Personals fanden anderweitige Jobs.
Für Quintero steht fest, dass viele Restaurants aus Fachkräftemangel nicht zu alter Kraft finden. Während einige Betriebe nicht eröffnen könnten, sei es für andere weiter unmöglich, Tische so oft zu besetzen, wie es die Nachfrage erlauben würde.
Kanaren-Gastronomie: Gewerkschaften kritisieren schlechte Arbeitsbedingungen
Die Gewerkschaften haben einen anderen Verdacht. Sie verlauteten in den vergangenen Wochen, dass die Schwierigkeiten der Unternehmen, freie Stellen zu besetzen, insbesondere auf schlechte Arbeitsbedingungen zurückzuführen seien. Sie sehen niedrige Löhne, viele Überstunden, die zudem oft nicht bezahlt würden, und eine schlechte Work-Life-Balance als Problem. Wer kann, bleibe solchen Bedingungen selbstverständlich fern, heißt es.
Fermín Sánchez, Präsident der Vereinigung der Bars, Cafeterias, Restaurants und Freizeiteinrichtungen von Las Palmas, weist dies als Behauptung zurück. Er verweist auf den Tarifvertrag in der Provinz. Dieser sei “der viertbestbezahlte in Spanien”. Ein Kellner verdiene etwa 25.000 Euro im Jahr. Und das sei mehr als im Handel. Der Tarifvertrag sehe zudem nicht nur einen vernünftigen Lohn, sondern auch zwei freie Tage pro Woche und 48 Tage Urlaub vor.
Experte nimmt Kanaren-Politik wegen schlechter Ausbildung in die Pflicht
Die Pandemie habe einen grundsätzlichen Sinneswandel herbeigeführt. Es gehe nicht mehr um das Gehalt allein. Es sei inzwischen einfach schwieriger, für die Nacht oder das Wochenende Personal zu finden. “Die Leute denken mehr darüber nach”. Für Sánchez steht daher fest, dass es Lösungen zwischen Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften geben müsse.
Eine davon ist aus Quinteros Sicht langfristig anzusetzen. Denn die Tausenden Arbeitslosen in der Gastronomie verortet der Experte bei einem grundsätzlichen Missstand: “Es gibt ein großes Problem mit der Ausbildung im Hotel- und Gaststättengewerbe auf den Kanarischen Inseln”, sagt Quintero.
Ungelerntes Personal sieht Gastronomie der Kanaren als neue Chance
Die Sprachbarriere sei eines der größten Probleme. Zudem gebe es viele Arbeitssuchende, die das Gastgewerbe nach der Pandemie als Chance sahen, jedoch kaum oder keine Erfahrung hätten: “Sie sind nicht ausgebildet oder kommen aus anderen Bereichen und geben das Hotel- und Gaststättengewerbe als Option an”. Man wolle “sehen, ob sich etwas ergibt”. Doch es sei eben eine Legende, zu glauben, dass “jeder gut genug ist, um in diesem Bereich zu arbeiten”.
Die trotz zuletzt guter Effekte am Arbeitsmarkt weiterhin knapp 27.000 Arbeitslosen stellen auf dem Archipel immerhin 14,7 Prozent dar. Und so muss auch die Politik ein Interesse an Veränderungen haben. Erste Schritte könnten Sprachkurse im Rahmen einer Umschulung sein. Denn ohne eine Verbesserung der Ausgangssituation vieler Arbeitsuchender, bleibt der vermeintliche Widerspruch in Angebot und Nachfrage beim Gastronomie-Personal vorerst bestehen.
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