Lange Zeit klang es unglaublich: Dort zu arbeiten, wo man sonst nur in Urlaub hin fuhr, war ein Traum. Dann kam die Krise und zeigte Arbeitgebern und -nehmern, dass die Anwesenheitspflicht im Büro ein Relikt aus alten Zeiten ist. Und vielleicht kommt mit der erwarteten Gaskrise nun das nächste Argument dafür, mindestens den Winter über in der Wärme zu arbeiten.
Die Kanarischen Inseln ziehen inzwischen immer mehr Telearbeiter an. Das beschreibt Menschen, die aus dem Homeoffice arbeiten, das Zuhause dafür allerdings verlagern.
Auf den Kanaren sind laut einer eigens dafür gegründeten Internet-Plattform seit Januar 35.400 Menschen registriert worden, die nicht für den Urlaub, sondern den Alltag auf die Inseln gereist sind. Sie arbeiten auf Teneriffa, Gran Canaria & Co. Tagsüber gehen sie also ihren Berufen nach, abends genießen sie dann die Vorzüge der Kanarischen Inseln.
Das buhlen ums Homeoffice auf den Kanaren
Die Tourismusabteilung der Kanarischen Inseln empfängt Gäste wie diese mit offenen Armen. Ab September soll sogar explizit um Telearbeiter geworben werden. Dafür werden Kampagnen in zwölf europäischen Ländern sowie in Nordamerika ausgerollt.
Damit sollen die Kanarischen Inseln einer breiten Öffentlichkeit als Ziel für Langzeiturlauber positioniert werden. Der Begriff ist dabei irreführend, denn Urlaub im eigentlichen Sinn sollen die Telearbeiter natürlich nicht machen. Nach Feierabend darf es sich aber gern genau danach anfühlen.
Auslöser für den aktuellen Vorstoß war dabei die sich abzeichnende Energiekrise in Europa. Warum in der Heimat frieren, wenn die Arbeit am Computer auch von den warmen Kanarischen Inseln aus erledigt werden kann, lautet das Credo.
Tourismusministerin Yaiza Castilla sagt dazu: “Auf den Kanarischen Inseln brauchen wir keine Heizung. Wir haben eine bessere Lebensqualität, eine gute Gesundheit und wir können einem Silbertouristen und einem Fernarbeiter alles bieten, was sie in diesen Monaten brauchen, wenn es in ihrem Land kalt ist und alles viel teurer wird.” Die wenig gelenke Übersetzung “Silbertouristen” beschreibt dabei Urlauber ab 55 Jahren.
Reiseveranstalter bieten Langzeiturlaub im All-Inclusive-Hotel
Erste Reiseanbieter rüsten sich bereits auf diese Art der Reisenden. So hat beispielsweise FTI-Touristik in Deutschland rund 100 zusätzliche Flüge nach Teneriffa, Gran Canaria und Fuerteventura angekündigt. Auf diese Weise sollen Telearbeiter, digitale Nomaden und Menschen im Ruhestand, die der Kälte entfliehen wollen, bedient werden.
Sogar Langzeitaufenthalte in All-Inclusive-Hotels werden dafür angeboten. Diese Art des Urlaubes erntet immer wieder Kritik, da Restaurants und Geschäfte darunter leiden, dass Touristen gar keinen Grund mehr haben, die Hotel-Anlagen zu verlassen. Dass das Tourismus-Ministerium mitspielt, dürfte mit der Hoffnung verknüpft sein, dass Langzeitbesucher irgendwann doch den Drang verspüren, Land und Leute zu sehen.
“Die Absicht unserer Kampagne ist es, Telearbeiter anzuziehen, die aus der Ferne arbeiten können”, sagt Castilla. “Außerdem wollen wir internationale Unternehmen dazu ermutigen, ihre Mitarbeiter auf die Kanaren zu schicken”, führt die Tourismus-Ministerin fort. Denn das Umfeld sei günstiger: “Der Arbeitnehmer spart und das Unternehmen auch”, sagt Castilla.
Auswertungen der Kanaren zufolge seien bisher 85 Prozent aller Telearbeiter Singles gewesen. Durch die jüngsten Krisen hätte sich das gewandelt: Inzwischen sind demnach ein Drittel all derer, die Homeoffice auf den Kanaren machen, Paare oder sogar Familien mit Kindern.
Deutsche nutze Homeoffice auf den Kanaren am meisten
Auch steige das Durchschnittsalter der betreffenden Personen. Waren die meisten Telearbeiter auf den Kanaren bisher sehr jung, ist inzwischen hauptsächlich die Gruppe der 30- bis 40-Jährigen vertreten.
Deutschland ist bei den Ländern, die die meisten Telearbeiter auf die Kanaren schicken, abgeschlagen auf dem ersten Platz: 27 Prozent aller Menschen, die sich auf den Kanaren im Homeoffice befinden, stammen aus der Bundesrepublik. Es folgen Großbritannien (12 Prozent), die Niederlande (10 Prozent), die Tschechische Republik (8 Prozent), die USA (6,6 Prozent), sowie Spanien (6,6 Prozent) und Irland (5 Prozent).
Das internationale Internetportal für Telearbeiter “Nomad List” schätzt, dass im Vorjahr 47.000 Digitale Nomaden auf den Kanarischen Inseln abgestiegen sind. Damit pulverisierten die Inseln den im Jahr 2000 gesteckten Plan, der besagte, dass nach fünf Jahren bis zu 30.000 Telearbeiter kommen sollten.
Kanaren werden Nutznießer der nächsten Krise
Für das Tourismusministerium der Kanarischen Inseln bedeuten digitale Nomaden einen warmen Geldsegen. Durchschnittlich würden diese Art der Langzeit-Besucher pro Kopf und Aufenthalt 3171 Euro in die Kassen spülen. Das bedeutete einen Umsatz von 149 Millionen Euro allein im Jahr 2021.
In diesem Jahr wurden laut Nomad List bereits 35.400 Telearbeiter allein in den ersten sechs Monaten gezählt. Der Trend ist also eindeutig positiv – zumal der kalte Winter noch bevorsteht. Die Kanaren werden damit nach der vergangenen, diesmal zu Nutznießern der sich abzeichnenden neuen Krise. Einleuchtend, dass ein Teil der bereits erwirtschafteten Gelder nun in internationale Kampagnen gesteckt werden.
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Die Kanaren sind Europas Homeoffice-Paradies
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