Die Sorge über die vielen Pellets auf Teneriffa war riesig: Große Plastikvorkommen an den Küsten riefen sogar die Regierung der Kanarischen Inseln auf den Plan. Nach der jüngsten Umweltkatastrophe auf dem Festland, sollte eine Wiederholung auf den Kanaren vermieden werden. Doch wie normal sind Plastik-Pellets auf den Inseln eigentlich?
Nach einem Unfall vor Portugal sind am spanischen Festland Millionen Plastikkugeln angeschwemmt worden. Die “Toconao” hatte Container mit so genannten “Pellets” verloren. Die Entfernung der kleinen Kügelchen bereitet nun jede Menge Arbeit. Und die Diskussion über die tatsächlichen Umweltauswirkungen läuft noch. Auf Teneriffa gab es Sorge vor einem ähnlichen Zwischenfall (mehr dazu hier).
Experten wissen: Große Handelsschiffe verlieren häufiger Container als angenommen. Und das mit allen Konsequenzen für die Umwelt. Grade die Kanarischen Inseln sind die Leidtragenden. Das liegt unter anderem an ihrer Lage.
Forscher: Mikroplastik im Meer immer alltäglicher
Aridane González forscht an der Universität Las Palmas de Gran Canaria (ULPGC). Leonico Rodriguez sagt der Forscher, dass der weltweite Verbrauch von Kunststoffen nicht aufhöre zu wachsen.
Die logische Folge dessen sei mehr Plastik und auch Mikroplastik in allen Bereichen der Welt. Es sei inzwischen vom Wasser bis zur Atmosphäre nachweisbar. Und auch in immer mehr Organismen.
Kanaren liegen wie ein “Hindernis” für Plastik im Meer
Für González sei Plastik in der Meeresumwelt besonders besorgniserregend. Und die Kanarischen Inseln seien dem Kunststoff in besonderer Weise ausgesetzt. Denn der Archipel liege diesen Materialien “wie ein Hindernis” im Weg.
Die Meeresströmung treibt die Pellets und das Mikroplastik voran. Und die Inseln liegen mitten in diesen Strömungen. Die Folge sind wachsende Vorkommen an den Küsten und Stränden der Kanaren.
Wie schädlich ist Mikroplastik für die Kanaren?
González sagt, dass Mikroplastik chemische Schadstoffe und andere Organismen transportiere. So würden beispielsweise Bakterien an den Teilchen haften (mehr dazu unten). Das mache den Kunststoff im Meer tendenziell noch gefährlicher.
Laut Forschungen führe der subtropische Strom zu immer größer werdenden Vorkommen dieser Ablagerungen. Pellets und Mikroplastik würde problemlos von der Ostküste der USA oder aus dem Nordatlantik durch die Strömung mit der Zeit bis zu den Azoren und nach Nordspanien gelangen.
Plastik im Meer: Auch Zusammensetzung entscheidet über Gefahren-Potenzial
Und der Forscher hat keinen Zweifel daran, dass es Auswirkungen auf Umwelt, Nahrungsketten und so schließlich auch für den Menschen gebe. Es bedürfe jedoch weiterer Studien, um diese konkret benennen zu können.
Die Europäische Universität der Kanarischen Inseln (UEC) sieht dafür zwei grundlegende Faktoren. Der Kunststoff selbst sei – je nach Größe und Form – ungesund. Hinzu komme die Art der Zusammensetzung. Denn je nach Machart seien Mittel beigesetzt, um das Material besser vor Sonne oder Flammen zu schützen. Diese können zusätzlich giftig wirken.
Mikroplastik kann auch auf dem Teller landen
Im Falle beider Probleme ist die Gefahr logisch leicht nachvollziehbar: Größere Plastikstücke erreichen das Verdauungssystem der Meeresbewohner. Verschluckt ein Fisch ein Stück Kunststoff, wird es entweder ausgeschieden oder vor dem menschlichen Verzehr mit den Verdauungsorganen entfernt.
Mikroplastik hingegen könne beispielsweise von Weichtieren aufgenommen werden. Verzehrt ein Mensch einen solchen Meeresbewohner, ist es wahrscheinlicher, dass der Kunststoff mitgegessen wird. So landen nicht nur Mikroplastik, sondern damit möglicherweise auch zusätzliche Toxine im menschlichen Verdauungstrakt.
Kanaren: Plastik-Pellets seit zehn Jahren normal
Daura Vega Moreno arbeitet ebenfalls an der ULPGC. Für sie stehe fest, dass die am Mittwoch auf Teneriffa entdeckten Pellets nichts mit dem Zwischenfall vor Portugal zu tun hätten. Es gebe ausreichend weitere Vorkommen im Meer.
“Wir haben seit zehn Jahren wissenschaftliche Beweise für die Ankunft von Pellets und Mikroplastik auf den Kanarischen Inseln.” Die zuletzt gefundenen Kügelchen hätten sich nach Inaugenscheinnahme bereits seit drei bis fünf Jahren im Meer befunden.
An diesen Stellen der Kanaren gibt es besonders viel Mikroplastik
Laut Vega sei insbesondere die Provinz Santa Cruz de Tenerife für die Ankunft von Pellets und Mikroplastik im Allgemeinen prädestiniert. An der Playa Grande in El Porís werde besonders viel Kunststoff an den Küsten gefunden. Auch in der Gemeinde Arico im Südosten Teneriffas werde oft Plastik nachgewiesen. Ein weiterer Ort sei Arenas Blancas auf der Nachbarinsel El Hierro.
Die östlichen Kanaren-Inseln hätten ebenfals typische Orte für das Anschwemmen von Kunststoffen. Dazu gehörten demnach Famara auf Lanzarote oder die Playa Lambra auf La Graciosa. Zuletzt sei auch am Strand von Las Caletillas auf Fuerteventura öfter Mikroplastik entdeckt worden.
Die Daten zeigen, dass die Kanaren tatsächlich an völlig unterschiedlichen Stellen Mikroplastik-Vorkommen verzeichnen. Dass es dennoch typische Spots gibt, liege laut Wissenschaft an der Meeresströmung.
Plastik im Meer vor den Kanarischen Inseln oft von Container-Schiffen
Die Wissenschaft geht davon aus, dass insbesondere Pellets im Regelfall von Containerschiffen stammen. Unfälle gebe es regelmäßig. Der Unterschied zum Zwischenfall im Dezember vor Portugal sei, dass die meisten dieser Zwischenfälle auf hoher See passierten. Dann seien die Reedereien nicht verpflichtet, sie den angrenzenden Ländern zu melden. Weitere Ursachen seien bewusste Einleitungen durch Fabriken in Flüsse oder direkt ins Meer.
Wie normal diese Art der Plastikvorkommen sind, zeigt ein erneuter Fund am Donnerstag im Norden Teneriffas. Diesmal wurden Plastikkügelchen bei Garachico entdeckt. Ein Zusammenhang mit dem Fund von Mittwoch bei Bajamar gilt als unwahrscheinlich. Für die Kanaren wird Mikroplastik damit zu einer Art unfreiwilliger Normalität – mit allen Konsequenzen:
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Kommentare zu:
Darum ziehen die Kanaren Mikroplastik und Pellets regelrecht an
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