46.802 Migranten haben die Kanarischen Inseln im vergangenen Jahr erreicht. Nie haben es mehr Menschen über die gefährlichste Flucht-Route der Welt geschafft. Unter den Migranten und Flüchtlingen waren 4050 unbegleitete Kinder und Jugendliche.
Die Kanaren sind beim Umgang mit Migranten und Flüchtlingen im vergangenen Jahr an ihre Grenzen gestoßen. Die größte Debatte entbrannte dabei um unbegleitete Minderjährige. Das spanische Ausländergesetz regelt in Artikel 35, dass die Region für Kinder und Jugendliche zuständig ist, in der diese ankommen. Und die Inseln sind mit der Menge überfordert.
Durch einen Migration-Anstieg um 17,2 Prozent im Vergleich zum bisherigen Höchstwert aus dem Jahr 2022 ist die Lage auf den Inseln deutlich angespannt. Immerhin einen Lichtblick bei Minderjährigen gibt es. Das sind die Schicksale und Hintergründe.
Allzeit-Rekord bei Kanaren-Migration
9757 Menschen sind 2024 auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln ums Leben gekommen. Das sind 28 Todesfälle pro Tag. Und dabei handelt es sich lediglich um die bestätigten Fälle. Die Dunkelziffer gilt als deutlich höher (mehr dazu am Text-Ende).
Die Behörden des Archipels berichten von deutlich mehr Kindern und Jugendlichen an Bord der Cayucos, wie die meist hochseeuntauglichen Boote auf den Inseln genannt werden. Mit den bereits zuvor auf den Kanaren lebenden Minderjährigen stieg die Zahl auf nun 5812.
Kanaren-Migration und das Schicksal der Kinder
Viele der Kinder und Jugendlichen sind traumatisiert. Denn einige von ihnen brachen gemeinsam mit ihren Eltern auf. Mehrere Kinder berichten davon, mit angesehen zu haben, wie ein Elternteil, der die Überfahrt nicht überlebte, unterwegs über Bord geworfen wurde.
38,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen in den Aufnahmezentren der Kanarischen Inseln stammen aus dem Senegal. Etwa 20 Prozent, also jedes fünfte Kind, kommt aus Mali. Von dort flüchten viele Menschen vor dem Krieg. Aus Marokko kamen 932 Minderjährige und 631 aus Gambia sowie weitere 335 aus Guinea. Etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen gilt als Flüchtlinge, die anderen als Migranten.
Im kommenden Jahr werden 2157 der Jugendlichen, also gut 37,5 Prozent, in den Aufnahmezentren volljährig. Damit müssen sie die Zentren verlassen und können auf das spanische Festland oder innerhalb der EU umgesiedelt werden. Weitere knapp 23 Prozent sind 16 Jahre alt und werden in diesem Jahr 17. Besonders auffällig: Nur 5,5 Prozent der unbegleiteten Minderjährigen auf den Kanaren sind weiblich.
Politischer Dauer-Streit um Migranten-Kinder
Innerhalb Spaniens herrscht weiter Streit über den Umgang mit unbegleiteten Kindern und Jugendlichen. Die Inseln fordern mehr Unterstützung vom Festland. Dort hingegen wollen die wenigsten Autonomen Gemeinschaften Verantwortung übernehmen. Sie sind froh, dass die Kanarischen Inseln, und damit auch die Herausforderungen der Migration, weit genug entfernt sind.
Die Debatten über eine Umverteilung und eine damit nötige Änderung von Artikel 35 dauern an. Es herrscht Einigkeit, dass die Situation suboptimal und unfair ist, einen Konsens über eine fairere Verteilung gibt es dennoch weiterhin nicht.
Der Präsident der Kanarischen Inseln, Fernando Clavijo, ging die spanische Zentralregierung am Montag erneut an. Präsident Pedro Sánchez (PSOE) mit seiner Regierung und die christlich-konservative und wirtschaftsliberale PP seien “Komplizen”, kritisierte Clavijo. Angesichts einer beispiellosen Migrationskrise sei die abwartende Haltung “unverantwortlich”.
Kanaren fühlen sich “mit Migration allein gelassen”
Spaniens Regierung habe “die Kanarischen Inseln alleingelassen”, sagte der Kanaren-Präsident. Obwohl die Verfassung Spaniens Möglichkeiten biete, verschanze man sich “hinter Ausreden, um keine Vereinbarung zu treffen, die eine Lösung für ein humanitäres Drama bietet”, sagte Clavijo.
Eine Lösung ist vorerst nicht in Sicht und die Kanaren stellen sich entsprechend auf weitere Ankünfte ein. Insbesondere im Winter stieg die Zahl ankommender Boote in den vergangenen Jahren stark an. Bereits am Neujahrsmorgen erreichten die ersten 60 Migranten des Jahres die Kanarischen Inseln in Las Galletas im Süden Teneriffas. Zwei Insassen überlebten die Überfahrt nicht.
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