Von Maximilian Brandtner
Kürzlich hat die kanarische Regierung also die sprichwörtliche Katze aus dem Sack gelassen: Das Gesetz für die VV-Lizenzen soll reformiert werden. Kleine, private Eigentümer und Familien werden geschützt, kommerzielle Anbieter mit VV eher nicht. Sieht so aus, als ob das ein Kompromiss aus teilnehmender Bevölkerung und zahlender (Hotel-)Lobby ist.
Gut so. Zumindest für den Schutz des Eigentums von Privathaushalten. Wie man lesen kann, werden mittlerweile große Mehrfamilienhäuser extra für VV gebaut. Im selben Artikel steht aber auch, dass es aktuell 211.000 leerstehende Wohnungen auf den Kanaren gibt, die weder VV noch fest vermietet sind. Zwei davon gehören mir. Und das bleibt wohl leider bis auf weiteres auch so.
Denn man muss bezweifeln, dass dieses neue VV-Gesetz das Problem der Wohnungsknappheit auf den Kanaren löst. Wie im ersten Beitrag über die VV-Reform geschrieben, gibt es mindestens zwölf Herausforderungen – nicht nur die Ferienwohnungen.
Hausbesetzer auf den Kanaren
Aus dem gegebenen Anlass der neuen VV-Gesetze und einer aktuellen, persönlichen Erfahrung, lege ich im Folgenden dar, weshalb die aktuelle Gesetzgebung zur Besetzung von Wohnungen ein Hinderungsgrund für sowohl Canarios als auch für privat investierte Ausländer ist. Um es vorab in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Idee, eine Wohnung fest zu vermieten, ist in noch weiterer Ferne. Doch was ist geschehen?
Unser Haus steht in einer kleinen autofreien Straße im historischen Kern eines kleinen Dorfs am Meer. Es gibt drei Restaurants, zwei kleine Supermärkte (keine Ketten, sondern Familienbetriebe) und eine Tankstelle. Es gibt kein einziges Hotel. Wir mögen es dort. Es gibt einen kleinen Teil am Meer, der touristisch interessant ist. Apartments für Touristen – mit und ohne VV.
Insofern begrüße ich das neue Gesetz, dass die Kontrollen in den Gemeinden intensiviert, denn wir sind mit VV-Lizenz und zahlen dafür Gebühren und Steuern. Und es gibt einen größeren Teil im Dorf, der hauptsächlich von Canarios bewohnt ist, die in den touristischen Zonen in den großen Hotels arbeiten. Wir kommen sehr gut miteinander aus und wir haben echte Freunde gefunden.
Wir waren vor einiger Zeit für zwei Wochen Ferien in unserem Haus. Und wir haben in Echtzeit miterlebt, wie das Haus schräg gegenüber von Okupas besetzt wurde. Die ganze Nachbarschaft – Canarios und die wenigen Internationalen wie wir, sind bestürzt.
Doch was ist passiert? Gegenüber ist ein altes Haus, von dem es heißt, dass es einer Erbengemeinschaft gehört, die sich nicht einig ist, was mit dem Haus geschehen soll. Das ist das Leben. Das Haus steht also seit langem leer. Es ist in keinem guten Zustand.
So schnappen sich Hausbesetzer auf den Kanaren Wohnraum
Dann, eines Tages, sahen wir ein Pärchen im Eingangsbereich sitzen. Sie haben freundlich gegrüßt. Wir haben freundlich zurück gegrüßt. Aber was war das? Das Haus sieht eigentlich nicht bewohnbar aus. Eher eine – trotz sehr guter Lage mit Meerblick – Liegenschaft mit Grundmauern, aber keine bewohnbaren Zimmer.
Am nächsten Tag hörten wir auf einmal laute Stimmen und Tumult. Die Polizei war vor Ort. Die neuen Bewohner waren in der Wohnung und sprachen mit der Polizei. Es wurde laut. Die Polizei verschwand wieder. Anwohner kamen zu den neuen Bewohnern. Es wurde wieder laut. Die Anwohner gingen wieder.
Am darauffolgenden Tag waren es auf einmal nicht mehr zwei, sondern schon vier Personen. Ein Auto einer Alarmanlagenfirma stand auf der Straße. Der Mitarbeiter sprach mit den neuen Bewohnern – und verschwand wieder.
Die neuen Bewohner gingen zum Strand und kamen mit mehreren frisch von der Strand-Dusche befüllten Wasserkanistern zurück. Bezahlt von wem? Genau: den aufrichtigen Steuerzahlern. Die neuen Bewohner drei und vier kamen mit einem Einkaufswagen voller Gegenstände ins Haus. Nun also sahen wir im Fenster ein Solar-Panel, mit welchem offenbar die Mobiltelefone geladen werden.
Kein Wasser. Kein Strom. Was ist mit dem Abwasser? So langsam stellte sich die Nachbarschaft einige Fragen.
Auch Kanaren-Polizei oft machtlos
Die Nacht war offenbar lustig. Die Polizei kam wieder, da sich offenbar Nachbarn wegen des Lärms beschwert hatten. Doch auch hier verschwand die Polizei nach einer kurzen Rücksprache mit den neuen Bewohnern schnell wieder. So funktioniert er also, der Rechtsstaat.
Allerdings funktioniert der Schutz des Eigentums nicht, denn wir hören Erlebnisberichte, dass es zwei bis drei Jahre oder länger dauert, bis man einen Entschluss vom Gericht bekommt, um die Besetzer wieder aus dem Haus heraus zu bekommen. Manche erscheinen auch gar nicht zu den Gerichtsterminen und es dauert noch länger. Und der Eigentümer darf für die neuen Bewohner, die der Spanische Staat mit seinen Gesetzen legalisiert (siehe Intervention Polizei) auch noch die Unterhaltskosten für die Immobilie zahlen.
Wie geht also eine Besetzung? Wenn die Okupas nachweisen können, dass sie mindestens 48h in der neuen Wohnung “wohnen”, dann dürfen sie bleiben, bis das Gericht etwas anderes entscheidet. Wie geht das? Wie man hört, bestellen die Okupas eine Pizza mit der neuen Adresse. Auf der Quittung steht sowohl die neue Adresse als auch ein Datum mit Uhrzeit. Ab dann läuft die Uhr. Das ist der Beweis für die 48 Stunden Frist im Haus.
Folgende Erzählungen kursieren: Ein Eigentümer einer Wohnung versuchte, die Besetzer aus seiner Wohnung zu vertreiben. Er hat dies offenbar versucht, indem er den Besetzern gedroht hat und sie geschlagen hat. Wer sitzt nun im Gefängnis? Richtig: der Eigentümer. Wer sitzt in der Wohnung? Richtig: die Besetzer. Wer zahlt Wasser und Strom? Richtig: der, der im Gefängnis sitzt.
Eine andere Erzählung handelt von einem Haus, das seit über drei Jahren von Okupas bewohnt wird. Und sie vermieten das Ferienhaus sogar als Ferienwohnung im Internet. Er ist ein “beliebter Host”. Eine VV hat er nicht.
Deshalb stehen manche Immobilien auf den Kanaren leer
Wenn ich mit meinen kanarischen Freunden über das Thema spreche, dann sagen sie mir: Bloß nicht die Regierung. Bloß nicht das Gericht. Es gibt Firmen, die am Rand der Legalität, aber legal, für eine Gebühr von mehreren tausend Euro eine überzeugende Argumentation haben, und die Besetzer innerhalb weniger Stunden zum Verlassen des Hauses bewegen.
Ist das die vorbildliche Rechtsstaatlichkeit der Europäischen Union 2024? Oder ist das Kolumbien zur Zeit von Pablo Escobar?
Meine kanarischen Freunde erzählen mir auch, dass das Problem gar nicht nur die offensichtlichen Okupas sind, die aus persönlichen, politischen oder was-auch-immer für Gründen ein Haus besetzen. Wenn man einen Mieter hat, der aufhört, die Miete zu zahlen, dann ist er auch vom Gesetz geschützt.
Was bedeutet das für mich als jemandem, der eigentlich gern eine Wohnung fest vermieten wollen würde? Das Risiko ist mir zu groß! Momentan zahle ich monatlich für eine Alarmanlage mit fünf Kameras, die sofort Fotos machen und die Polizei verständigen, damit innerhalb von 48 Stunden noch eine Aktion gegen die Besetzung erfolgen kann. Zudem habe ich ein eigenes Kamerasystem mit Solarstrom installiert. Doppelt hält besser.
Fest vermieten? Auf gar keinen Fall. Dann lasse ich das Haus lieber leer stehen. Und arbeite länger in Deutschland, um die ausgefallenen Mieteinnahmen zu kompensieren, bevor ich meinen Ruhestand (vielleicht) auf den Kanaren verbringe. Wenn denn die rechtsstaatliche Situation dies erlaubt. Und sowohl meine kanarischen als auch meine touristischen Freunde auf den Kanaren sagen mir das Gleiche: bloß nicht fest vermieten.
Was ich mich zudem frage: Wenn die vier oder mittlerweile sechs Bewohner des besetzten Hauses mit Solarpanel und Süßwasser von der Stranddusche etwas nachdenken, dann würden sie sich verbessern wollen. Vielleicht ein Haus mit Wasser und Strom. Und Möbeln. Was, wenn sie mein momentan leeres Haus gegenüber im Visier haben?
Es wäre so einfach, zusätzliche Wohnungen zu schaffen, wenn endlich die Gesetze geändert würden. 211.000 Wohnungen stehen leer. Das wäre Wohnraum für etwa eine halbe Millionen Menschen auf den Kanaren. Ich wäre der Erste, der fest vermietet. Ihr glaubt nicht, wie viele Anfragen ich von meinen Nachbarn und Freunden aus der Straße vorliegen habe, die eine vernünftige Wohnung zu einem vernünftigen Preis dauerhaft suchen.
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Hausbesetzer auf den Kanaren – ein Erfahrungsbericht
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