Vor drei Monaten sind viele Tausend Kanarios auf allen Inseln gleichzeitig auf die Straße gegangen. Sie fordern eine Erneuerung des derzeitigen Tourismusmodells. Es sind Proteste gegen die Tourismus, nicht gegen einzelne Touristen, betonen die Macher Und sie haben Forderungen. Doch was konnten die Protestierenden wirklich damit erreichen?
Vielen Demonstrierenden kamen die drei Monate nach den in Anlehnung an den 20. April “20A”-Proteste genannten Demonstrationen wie eine Ewigkeit vor. Anderen erschien sie als zu kurz, um die genannten Probleme überhaupt auch nur angehen zu können. Der Fortschritt hat bisher nicht die Erwartungen erfüllt. Und so wurden für den Herbst neue Demonstrationen in touristischen Gebieten der Kanaren angekündigt.
Seitens der Regional-Politik auf den Kanarischen Inseln seien Fortschritte gemacht worden – insbesondere in Bereichen, die als Hauptprobleme adressiert wurden. Maßnahmen wie das Dekret über dringende Wohnungsbaumaßnahmen und ein Gesetzesentwurf zur Regelung der touristischen Nutzung von Wohnungen wurden eingeführt. Doch die 20A-Proteste waren ein Ausdruck einer Unzufriedenheit, die sich über Jahre aufgebaut hatte. Nachdem die Rekordzahl von 16,2 Millionen Touristen im Jahr 2023 erreicht wurde, forderten Tausende Kanarios eine Änderung des als erschöpft geltenden Modells. Und die Kanaren eilen im Gegenteil von Rekord zu Rekord.
Kanaren erwarten weitere Touristen-Rekorde
Weit davon entfernt, diese Zahl zu verringern, wird für 2024 nochmal ein deutlicher Anstieg der Touristenzahlen im Vergleich zu 2023 erwartet. Wird der Durchschnitt der ersten fünf Monate des Jahres zugrunde gelegt, würden die Kanarischen Inseln 11,66 Prozent mehr Touristen empfangen, also ein Plus von 1,6 Millionen Urlaubern. Damit würden im laufenden Jahr 17,87 Millionen Touristen den Archipel im Atlantischen Ozean besuchen.
Ben Magec-Ecologistas en Acción ist die Vereinigung hinter den Protesten. Eugenio Reyes ist Sprecher der Demonstrierenden. Er betont, dass die derzeitigen Entwicklungen “Teil eines langen Prozesses” seien. Die 20A-Proteste sind “keine isolierte Sache, sondern das Ergebnis von 25 Jahren Arbeit auf den Kanarischen Inseln”.
Tourismus-Proteste: Kanaren sind kein Einzelfall
Reyes sagt jedoch, dass die Kanaren nicht allein seien. Die Welt erkenne, dass es Grenzen gebe. Der Archipel sei ein Teil von 156 Reisezielen weltweit, die eine Abkehr vom vorherigen “höher, schneller und weiter” im Tourismus fordern. Auch Hawaii, Berlin und London seien an den Protesten beteiligt gewesen.
Reyes sieht die Notwendigkeit, zwischen Regierung und Macht zu unterscheiden. Große Reiseveranstalter haben Macht. Doch die Regierungen müssten ihren Einfluss zurückerlangen, lauten Vorwurf und Forderung zugleich.
Auf viele Protestler wirke die Kanaren-Regierung hingegen orientierungslos. Parteipolitische Scharmützel würden eine Diskussion mit echten Fortschritten untergraben, lautet der Vorwurf. Doch immerhin habe der Aufstand auf den Kanaren das Thema Grenzwerte auf die Agenda gebracht. Für Ecologistas en Acción sei das einwesentlicher Erfolg.
Erste Projekte nach Tourismus-Protesten auf den Kanarischen Inseln
Während Reyes eher kleine Mosaiksteine zählt, sieht die Tourismusministerin der kanarischen Regierung, Jessica de León, die bisherige Entwicklung nach den Protesten äußerst positiv. De León erkennt deutliche Fortschritte in die richtige Richtung.
Themen wie die “Ökosteuer”, beispielsweise auf Teneriffa für den Eintritt in Naturschutzgebiete, seien ein wichtiges Signal. Kritiker der Aktion sehen viel mehr eine Touristen-Abgabe und werfen die Frage auf, ob ein Eintritt für Ausländer nicht sogar gegen das EU-Recht verstoße. Aus diesem Grund fordern die Politiker auf den Inseln ihre Kolleginnen und Kollegen immer wieder dazu auf, die Begriffe der Abgabe und der Steuer korrekt zu verwenden. Andernfalls müsste tatsächlich damit gerechnet werden, dass Kosten auch auf Anwohner zukommen könnten.
Weitere Projekte sind beispielsweise ein Bus-Shuttle für Hotel-Angestellte. Auf diese Weise sollen Straßen und Geldbeutel der Arbeitnehmenden zugleich entlastet werden. Alleridngs ist das Projekt privat finanziert und steht daher auf wackeligen Füßen.
Suche nach Geld: Kanaren wollen Wirtschaft diversifizieren
Die Tourismusministerin schließt unterdessen kategorisch aus, den Urlaubssektor als das Problem der Kanarischen Inseln anzusehen. Er sei und bleibe die Lösung. Die Branche schaffe 360.000 Arbeitsplätze und die Tourismusindustrie werde immer vielfältiger. Die Kanarischen Inseln seien nach Madrid die zweitwettbewerbsfähigste Tourismusregion Spaniens, betont die Politik.
Worin beide Parteien zumindest ansatzweise in eine ähnliche Richtung denken, ist die Herausforderung der Diversifizierung des Wirtschaftsgefüges. Das Ziel müsse sein, andere Einkuntfsquellen der Kanarischen Inseln ähnlich wettbewerbsfähig zu machen, wie es der Tourismus aktuell ist.
De León betont dazu die Notwendigkeit, die Bürokratie zu reduzieren. Dieser Prozess sei bereits im Gange. Ergebnisse erwartet die Tourismusministerin allerdings frühestens in einem Jahr.
Kanaren: Neue Tourismus-Proteste im Herbst wahrscheinlich
Einer anderen zentralen Forderung der “20A”-Proteste möchte die Politik hingegen nicht nachkommen. Eine pauschale Tourismusabgabe, wie beispielsweise eine Kurtaxe, wolle man nicht erheben.
Als Grund benennt die Politik, dass die Übernachtungen für Einnahmen durch die IGIC, also das kanarische Pendant zur Mehrwertsteuer, erzeuge. Und diese Steuereinnahmen bleiben zu 100 Prozent auf den Kanaren. Somit gebe es bereits eine Abgabe.
Mit weiteren Verteuerungen der Übernachtungen würde man den Tourismus gefährden, da Kanaren-Urlaub bereits jetzt durch verschiedene Effekte, wie die Inflation und steigende Flugpreise, deutlich teurer geworden sei.
Für die Demonstrierenden sind all das nur Erklärungen, um möglichst nah am Status quo bleiben zu können. Sie wollen im Herbst zu neuen Protesten aufrufen. Dann wird sich zeigen, ob mehr oder weniger Menschen zu den Demonstrationen strömen. Das dürfte als Barometer für die Zufriedenheit mit den bisherigen Maßnahmen gesehen werden.
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Bilanz: Das haben die Tourismus-Proteste auf den Kanaren bisher erreicht
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